Autistisch 
gesund 
leben..

Stereotype sind nicht meine Grenzen oder das Abenteuer, sich autistisch gesund zu leben...
 

Wie definiert man sich selbst?

Lange habe ich mich darüber definiert, wie gut ich mich anpassen. Je härter ich gegen mich selbst war, die Bedürfnisse meines Körpers in den Hintergrund schob, je besser "funktionierte" ich. Scheinbar wird bei autistischen Menschen dieses "funktionieren" als ein autistisch unsichtbar werden  definiert. Und so stolperte ich die Masking Falle.... 

Ich verbrauchte sehr viel Kraft, um mich anzupassen. Dachte, der richtige, nein, der einzige  Weg sei zu masken (auch Camouflage genannt). 

Dabei ignorierte ich, wie viel Kraft ich dafür einsetzte, nicht ich zu sein. Wie ungesund es war, meine eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken. Wie viel ich erduldete, was mir nicht gut tat. 

Sich selbst verlieren

Wie oft hatte ich abends das Gefühl, dass meine Gesichtsmuskeln schmerzten, weil ich ständig Mimik anstoßen musste. Wie viel Zeit habe damit verbracht, neuronormatives Verhalten (früher neurotypisch genannt) zu trainieren - statt zu fragen, was mein Körper braucht. 

Ich kann heute auf den Punkt Gestik & Mimik anstoßen, so dass jeder glaubt, diese wäre "natürlich in mir". Dabei habe ich das jahrelang trainiert. Ich erzeuge im Masking, etwas, was andere erwarten. Dafür bezahle ich mit Energie, die mir dann für anderes nicht mehr zur Verfügung steht. 

Welche Sprache spreche ich?

Allistic (non-autistisch) ist nicht meine "native language", sondern meine Zweitsprache. Eine Sprache, die ich gut spreche und doch dafür Extra-Energie aufwenden muss. Trotzdem muss ich sie benutzen, weil mir nur dadurch Zugang zu vielen Dingen möglich wird.

Und genau diese Erwartungshaltung, die allistischen Sprache grundsätzlich benutzen zu müssen, ließ mich meine neurologisch-natürliche Sprache vergessen. Dabei ist sie von gleichem Wert und essentiell wichtig für mich. 

Denn wenn ich meine Sprache spreche, muss keine kostbaren Ressourcen dafür verbrauchen, mich zu übersetzen. Ich performe besser und es tut meiner Gesundheit gut, denn es reduziert Stress.

Masking & Camouflage

Denn Masking ist eben nicht nur das Sprechen einer anderen Sprache, die Übernahme von Gestik und Mimik, sondern auch ein erzwungenes Aushalten von Dingen, die man nicht aushalten sollte. 

Wenn die Kraft versiegt

Eines Tages stellte ich fest, dass mir meine Kraft ausging. Ein prüfender Blick in mein Inneres irritierte mich: Es war, als ob sich ein Teil meiner Persönlichkeit von mir entfernt hatte, die Freude, die Abenteuerlust Neues zu lernen war einer Müdigkeit gewichen. 

Ich war meinem Körper gegenüber nicht sorgsam gewesen. Sondern habe seine Bedürfnisse an den Rand meines Bewusstseins gedrängt. Er sollte einfach funktionieren. Und da war wieder dieses Wort: funktionieren... 

Ist es meine Aufgabe zu funktionieren? Nach Vorgaben anderer, die sich "die Gesellschaft" nennt? Dabei bin ich doch auch ein wertvoller Teil dieser Gesellschaft. Ist mein Körper weniger wichtig, nur weil eine Gruppe erklärt, wie "alle" zu sein haben? 

Selbstfürsorge und das Ende der Müdigkeit

Ich musste mich in der Breite meines Seins neu wertschätzen lernen. Selbstfürsorge - für jemanden, der sich jahrelang darüber definiert hatte, sich die einfachsten Dinge zu verwehren. Je mehr Selbstkontrolle, desto besser. Und nun Selbstfürsorge statt nach Vorgaben anderer zu funktionieren,?

Dieser Weg war "steinig" (RW) und viele dieser Steine rollten unerwartet vor meine Füße. Manche schienen sich nicht zu bewegen, egal, wie sehr ich mich gegen sie stemmte. 

Stereotype 

Als ich mich zur offiziellen Diagnostik entschloss, war mir nicht bewusst, dass ich auch auf Stereotype treffen würde. Dass mich einige Menschen diskriminieren würden, nur weil ich nun ein Label hatte - Autist. 

Meinem Freundeskreis war der Name egal. Aber bei einigen verschwand meine Persönlichkeit unter dem stereotypen Label "der Autist". Meine Fähigkeiten wurden ignoriert. Als  habe sich der individuelle Mensch, der ich vorher war, aufgelöst. 

Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass mir jemand sagt, dass er besser wisse als ich, was gut für mich sei. Mir jemand erklärt, ich sei kein "richtiger Autist",  weil ich Dinge könne und "die" können das nämlich  nicht. DEr Satz, "Ich kenne einen Autisten und der ist anders als du...!" Wow, Wirklich? Dabei dachte ich, dass wir mehr als 85 Mio Menschen (ggf +220 Mio) eine Persönlichkeit teilen..

Mir stellte sich die Frage, wie gehe ich damit um? Meine Menschenwürde, Individualität und Fähigkeiten stehen nicht zur Diskussion. 

Sachargumente, Faktenwissen waren/sind die Fertigkeiten, die ich in eine Diskussion einbringen kann. Ich kann nur logisch. Mir war nicht bewusst, dass es unmöglich sein könnte, jemanden mit Argumenten und Fakten zu überzeugen. 

Das musste ich erst einmal verarbeiten und jetzt beim Schreiben dieser Zeilen spüre ich immer noch eine Irritation, wenn ich einige Erlebnisse denke und mit welcher Vehemenz mir einzelne Personen mein Sein abgesprochen haben.  

Neu orientieren?

Gleichzeitig fühlte ich mich seltsam wohler in mir. Diese unglaubliche Müdigkeit wich langsam dem Wunsch nach Neuem. Lernen, Leben, Erleben. Es war, als ob ich aus einem sehr tiefen Schlaf aufwache. Ich musste mich erst einmal umschauen und neu orientieren.

Während ich auf dem Weg war, wurde mir klar, dass ich nicht mehr in mein altes Leben passte. Meine Bereitschaft, mich offener zu leben, brachte einen großen Impact auf mein Leben mit sich : Ich würde meinen Beruf nach 15 Jahre aufgeben und mich auf einen beruflichen Neustart fokussieren müssen. 

Da katapultierte mich etwas aus meinem alten Leben - und das war ich selbst?

Zu erkennen, dass ich nicht mehr passte, weil ich mich gesund & erfolgreich leben wollte, fühlte sich seltsam an. Sollte ich stagnieren in diesem "Zurücknehmen meiner Bedürfnisse" durch harte Selbstkontrolle? 

Nein, das war mir nicht mehr möglich. Zu sehr begann ich, mich in mir geborgen und wohl zu fühlen. Ich hatte mich verändert und mit der Aufgabe meines bisherigen Arbeitsplatzes stellte ich mich dieser Wahrheit. Der Schritt war schwer, wegen der daraus entstehenden finanziellen Konsequenzen. Ich plnate einen beruflichen Neustart und hatte Freude bei dem Gedanken, zu lernen und mich einzubringen.

"Sich neu (er)finden" (RW)

Ich wollte sorgsam mit mir sein. Dazu bedurfte es einer harte Exit-Strategie: ich musste mich nicht nur als Mensch, sondern auch als arbeitender Autist neu "finden". Was kann ich, was will ich? Und auf einmal begriff ich: ich kann so verdammt viel mehr als sich gesund lebender Autist, statt meine Kraft ans Masking zu verpulvern (RW), 

Ich bin mir selbst so nahe gekommen. Mein Bedürfnis, zu leben, zu lernen und neue Erfahrungen zu sammeln, ist so stark.  Zu Beginn meiner Reise dachte ich, dass es mich schwächen würde, wenn ich sorgsam mit mir umgehe. Darauf achte, was mir gut tut und was mich schädigt.

Stärke in sich finden

Es ist in mir eine Liebe zu meinem Sein, meinem kostbaren autistischen Neuro-Setting entstanden. Und so stelle ich fest, dass ich heute deutlich gestärkt bin und endlich wieder die Freude am Lernen und Leben habe, die ich vorher unter einem Masking verschüttet hatte.

Wäre es nicht großartig, wenn Autist*innen, wenn alle neurodivergenten Menschen sich gesund und erfüllt leben können? Wenn sie in der Breite ihrer Fähigkeiten gesehen würden? 

So viele neurodivergente Erwachsene müssen diesen Weg alleine gehen. Dabei bräuchte es so wenig, ihnen den Neustart zu erleichtern. Ob Exit-Strategie aus dem alten Beruf oder Anpassungen im beruflichen Umfeld. Mehr Wissen über unsere Fähigkeiten und Respekt vor unserer Leistung würde vieles erleichtern.

Wollen wir gemeinsam den Gedanken der Neurodiversität zum Leben bringen?

Es erscheint mir sehr wichtig, dass wir einander besser kennen lernen. Die Bedürfnisse, Fähigkeiten der anderen wertschätzen und uns gemeinsam auf die Reise machen, diese Welt jeden Tag ein Stück leichter, besser zu machen. Kein Hochglanz-Diversity-Gerede, sondern echte Bereitschaft aufeinander zuzugehen.

Das WIR neu definieren - Autist*innen und Neurotypische als Gemeinschaft erkennen?

An dieser Arbeit würde ich gerne teilhaben: Der Sinn dieser HP wird es sein, sich mit neuen Studien auseinanderzusetzen, zu hinterfragen und mit Wissenschaftler*innen, Forscher*innen, Autist*innen zu sprechen und dabei Synergien zu entdecken, die uns gemeinsam das Leben erleichtern. 

Ein solches Ziel ist nicht alleine zu erreichen und so würde ich mich über Feedback, Vorschläge und Hinweise freuen. 

Wir alle wollen ein gesundes und erfülltes Leben...

Autistisch & gesund leben gehören zusammen


Dann kommt die Frage: Wer bin ich und was brauche ich?

Für viele ältere Autist*innen war und ist es ein langer Weg, herauszufinden, wer sie sind. Wie groß und vielfältig die eigene Persönlichkeit sich leben lässt. Welche Bedürfnisse und Fähigkeiten das eigene Neuro-Setting  mitbringt. Und selbst, wenn man dem eigenen "autistischen Sein" näherkommt, muss man oft erst erlernen, für sich einzufordern und anderen Grenzen zu setzen. Lies diesen Beitrag auf der Seite "Gesund Leben" weiter...

 

 

 

© Shino Me. Alle Rechte vorbehalten. 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.