Empathie.
Viel sprechen darüber, der EQ ist in aller Munde. SoMe ist voll von dem Thema. Führungskräfte, Mitarbeitende müssen emphatisch handeln. Doch, wenn man fragt, was verstehst du darunter, wird es schwammig.
Wer hat sie und warum haben Autist*innen angeblich keine?
Bereits 2008 schrieb das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung zu Empathie: "Mitgefühl und Anteilnahme waren in der Autismus-Gruppe ebenso ausgeprägt wie in der Kontrollgruppe."
Trotzdem wird Autist*innen unterstellt, sie wären "unempathisch". Sie könnten nicht mitfühlen, nicht fürsorglich, mitleidend sein. Mal abgesehen davon, dass solche Äußerungen dehumanisierend sind, ist das überhaupt Empathie?
Das Multidimensionale Konstrukt
"Menschliches Einfühlungsvermögen Empathie ist ein multidimensionales Konstrukt, das aus Elementen der Wahrnehmung und emotionalen Anteilen besteht..."
Es lassen sich so kognitive und emotionale Emapathie unterscheiden:
Socialnet: Kognitive Empathie ermöglicht also das Erkennen und Verstehen, beinhaltet aber per Definition kein Mitfühlen." Es geht um das "gedankliche Verstehen und Nachvollziehen der Gefühle, Motive, Gedanken, Einstellungen, Wünsche sowie der aktuellen Situation einer anderen Person."
Dagegen beschreibt die affektive Komponente "das emotionale Mitfühlen mit den – vermuteten oder tatsächlichen – Emotionen einer anderen Person...das Erleben derselben oder ähnlicher Emotionen wie die andere Person"
An dieser Stelle geraten wir in den Strudel neuronormativer Definitionshoheit:
Allistische Studien zeigen, dass Autist*innen zwar die gleiche emotionale, aber "eine signifikant geringere kognitive Empathie" haben.
Und was ist für allistische Forschende das Maß zur Ermittlung kognitiver Empathie?
Sie selbst natürlich. Es wird getestet, wie weit „alle“ in der Lage sind, allistische Menschen zu lesen. Zwei Gruppen werden in ihrer Fähigkeit zur kognitiven Empathie darin gemessen, wie sie eine der beiden Gruppen verstehen. Für eine geht es also um das Verstehen der In-Group, für die andere um das Verstehen einer fremden Gruppe, die eigenen Regeln folgt.
2012 beschrieb Milton das Doulbe Empathy Problem: Allistics und Autist*innen haben Schwierigkeiten, einander ohne Erklärungen zu verstehen und zu „lesen“. Es ist ein beidseitiges Empathie-Problem.
Faszinierend, oder? Man weiß, dass Autist*innen und Neuronormative Schwierigkeiten haben, Gefühle der anderen korrekt zu beschreiben. Und dann wird kognitive Empathie nur danach definiert, wie Autist*innen und Neuronormative die Gruppe NM „lesen“.
Stell dir vor, die Machtverhältnisse würden sich über Nacht ändern und die neuronormative NM Gruppe wäre in der Minderheit: Kognitive Empathie würde daran gemessen, wie autistische Gefühle korrekt beschrieben werden. Wer hätte dann offiziell Schwierigkeiten in der kognitiven Empathie?
Wir müssen uns der Machtschiefe zwischen uns bewusst werden:
Unserer gemeinsame Gesellschaft ist auf neuronormative Bedürfnisse ausgerichtet und deren Sein gilt als Blaupause menschlichen Seins. Es ist Zeit die Sinnfrage zu stellen. Warum müssen wir uns an einer anderen Gruppe messen lassen, währdend diese Gruppe umgekehrt uns nicht verstehen muss?
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