Bei dir bewirbt sich eine autistische Führungskraft und bisher hast du nur eine Defizitliste, was Autist*innen nicht können?
Versuche einen Perspektivwechsel: Die Person hat ein anderes doch gleichwertiges Neuro-Setting als du. Dies heißt erstmal nur, dass sie ggf andere „Tools & Techniken“ nutzen kann und wird, um zu einem Top-Ergebnis zu kommen.
Weder dein noch das andere Setting sind "immer der einzig richtige" Weg, es sind verschiedene Möglichkeiten, um erfolgreich ein HZiel zu erreichen.
ATD - Attention to Detail & deliberatives Denken als Pluspunkt
Viele Autist*innen nehmen mehr Reize bewusst wahr, haben ein hohes ATD (Attention to Detail) und denken deliberativ. Sie verarbeiten mehr Informationen zeitgleich und bewusst, weil ihr Körper genau so funktioniert.
Auf mich haben z.B. leise Geräusche einen ähnlichen Impact wie laute. Zeitgleich fallen mir Muster und deren Änderungen auf. Das hat den Vorteil, dass ich z.B. Stimmungsschwankungen in der Stimme „erhöre“, mir Fehler in komplexen Aufgaben schnell auffallen. Zeitgleich können mich zu viele leise Geräusche stressen.
TIPP in der Vorbereitung des Bewerbungsgespräches:
Gehe BEWUSST durch den Besprechungsraum und versuche wahrzunehmen, was dir sonst entgeht. Wenn du leise Geräusche deutlich wahrnehmen könntest, was würde ein offenes Fenster, ein Drucker, eine Lüftung bedeuten? Was, wenn viele gleichzeitig reden? Wenn Licht ein starker Reiz ist, würdest du dann direkt unter der Lampe sitzen wollen? Lerne deine Umwelt neu kennen.
Autist*innen fallen Inkonsistenzen schnell auf. Dazu kommt ein Bedürfnis nach Logik. Wenn du unscharfe Fragen stellst, fehlt es deinem Gegenüber an adäquatem Input für eine gute Reaktion.
TIPP: Gleiche deine Frage mit dem ab, was du _genau_ wissen willst.
Für dich sind einige Fragen vielleicht selbsterklärend, wei du nur eine bestimmte Anzahl an Punkten darin siehst. Das kann z.B. bei deinen autistischen Bewerbenden ganz anders ankommen. Hier können deine Fragen als zu Allgemein, unlogisch wirken. Weil dein Gegenüber viel mehr Daten in die Bearbeitung und Beantwortung der Frage einsetzt.
Deliberatives Denken
Diese Logik-Fehler und Ungenauigkeiten sind dir nicht aufgefallen, weil du sie nicht mit einberechnet hast. Autistische Menschen prozessieren meist deliberativ. Das heißt, sie gehen vorurteilsfrei in die Bearbeitung aller Daten.
Dies kann auch dazu führen, dass sie bei einer Frage länger brauchen, bis sie dir antworten. Nicht, weil sie die Frage langsam prozessieren, sondern weil sie im Gegenteil eine sehr große Anzahl an Daten mit bewerten.
Hochintelligenz & Hochbegabung
Ein solches Verhalten findest du bei vielen hochintelligenten bzw hochbegabten Menschen. Häufig erwartet man, dass Menschen mit hohen kognitiven Fähigkeiten besonders schnell antworten. Dies ist nur bei einfachen Fragen der Fall. Je anspruchsvoller die Frage, je länger kann dei Beantwortung dauern.
Hier fallen also die Erwartung vieler und die tatsächliche Reaktion deutlich auseinander. Menschen mit überdurchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten antworten signifikant langsamer auf komplexe Fragen. Weil sie eine deutlich höhere Anzahl an Rechenschritten durchführen.
Mehr Wissen und Fähigkeiten führen dazu, dass mehr Details mit einberechnet und deutlich mehr Lösungswege überprüft werden müssen. Mach dich also im Gespräch frei von der Vorstellung: Schnell gleich gut...
Ein Beispiel: „Wie gut sind Sie in Excel?“
Ich wurde von HR gefragt, „Wie gut sind Sie in Excel?“ und ich dachte: „Gut im Verhältnis zu was?“. Für mich war die Frage unklar gestellt. Heute würde ich offen reagieren: „Bitte spezifizieren Sie.“ Damals habe ich nachgedacht und mein Gegenüber schloss: zu lange Reaktionszeit = kann kein Excel.
Unterschiedliche Wege des Denkens
Sie hat ihre intuitiv-schnelle Art des Antwortens als Maßstab genommen und damit meine Reaktionszeit missinterpretiert, denn ich antworte mehr deliberativ-nachdenkend. Hinterher erfuhr ich, dass „gut in Excel“ hieß, dass man eine Pivot Tabelle nutzen kann. Öhm? Hätte sie klarer gefragt, hätte sie erfahren, dass ich mehr kann als eine Pivot-Tabelle erstellen.
Subtexte
Autist*innen sind sehr klar in ihren Aussagen, treffen aber auf eine Umwelt voller unsichtbarer Subtexte. Das kann zu Missverständnissen führen – auf beiden Seiten. Dich irritieren ggf "Subtexte", die dein/e Gesprächspartner*in gar nicht gesendet hat. Dein Gegenüber weiß wahrscheinlich nicht mal, dass man diese in dem Kontext denken kann. Umgekehrt wundert sich ein/e Autist*in über deine "halbe" Aussage, weil der von dir gesendete Subtext nicht lesbar war.
TIPP: Offenheit wertschätzen
Verstehe, dass autistische Offenheit selten mit "versteckt-mitschwingendem" negativen Inhalt daherkommt, sondern ehrlich und klar ist. Dies bedeutet für dich Verlässlichkeit. Ein ja ist ein ehrliches ja. Ein nein nur ein nein auf DIE Frage, kein mitschwingendes "ich mag dich nicht".
Werde dir deiner Subtexte bewusst, wenn du im Gespräch mit autistischen Menschen das Gefühl hast, dass diese dich nicht mag bzw dir negative Informationen mitschickt. Meist liegt das daran, dass du ihre Sprache nicht verstehst und ihre Aussagen über deine Sprache liest.
Übrigens kann diese Ehrlichkeit, wenn sie auf das Team übertragen wird, in der Interaktion im Team zum Vorteil sein: eine Studie zeigt, dass es zu signfikant weniger Kommunikationsabbrüchen zwischen (!) allistischen Teammitgliedern kommt, wenn sie Neurodiversity leben udn sich Atusit*innen offen autistische interagieren können.
Ehrlichkeit, klare Aussagen und Offenheit senken die Gefahr von Missverständnissen.
Erkenne, dass ihr beide aufeinander zugehen müsst und dabei "Verstehen-Arbeit" leistet und leisten solltet.
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