(M)eine fabelhafte autistische Adlergeschichte für dich:
Stell dir vor, du bist ein Adler. Eine Ente sagt, dass du wie sie auf dem See schwimmen sollst. Immer mehr Enten quaken, dass du es versuchen musst. "Ist nicht schwer", "Alle Vögel schwimmen", "Stell dich nicht an!"
Du fliegst zum Teichrand und tauchst eine Flügelspitze ins Wasser. Die Federn saugen sich voll Wasser. Die Enten auf dem See lachen über deine Sorgsamkeit, äffen dich nach.
Nicht alle Vögel sind Enten
Du erkennst die Unterschiede zwischen den Federn. Entische Federn weisen Wasser ab. Deine dagegen werden schwer und ziehen dich in die Tiefe.
Vielleicht sind nicht alle Vögel gleich? Eine Ente lacht: "Alle Vögel sind entisch". Was für eine dumme Frage. Jede Ente weiß: Federn nehmen kein Wasser auf.
Du spürst, was du spürst. Du siehst, was du siehst.
Sie erklären dir, dass deine Wahrnehmung falsch sei. Verlangen, dass du gegen die Signale und Bedürfnisse deines Körpers ankämpfst. Du musst endlich mitschwimmen.
Selbst wenn dir jemand glaubt, ist der Rat: Aushalten, bis du entisch wirkst. Deine "Defizit-Federn" passen sich schon an, wenn du dich nur lange genug quälst.
Andere Entenkinder sagen, dass du komisch wärst. Ein Vater befürchtet, dass du eine Federn-Defizit-Störung (FDS) hast. Eine Mutter möchte nicht, dass du in die Vogelklasse mit ihrem Entenkind gehst. Sie hat Angst, dass deine FDS den Schwimmunterricht stört.
Deine Federn sind wunderschön
Du wunderst dich, denn für dich sind deine Federn wunderschön. Sie geben deinen Flügeln die Möglichkeit, dich an den Horizont zu tragen, die Größe der Welt zu erkunden. Sind Freiheitsgeberin und Freudenspender.
Wie können deine Federn ein Defizit sein?
Man schickt dich zur FDS-Diagnose. Nun ist es offiziell: deine Federn und Flügel sind ein Defizit. Du musst lernen, deine Bedürfnisse zu ignorieren, um entisch zu wirken. Und lächeln, immer lächeln.
Der beste Weg sei, nicht mehr zu fliegen, dich aufs entische schwimmen zu konzentrieren. Du fragst, warum Enten fliegen dürfen. Das sei was anderes. Sie können tun und lassen was sie wollen. Sie sind richtig.
Du dagegen bist nun ein Defizit. FDS. Dein Sein ist eine Störung geworden. Also voller Fokus aufs Schwimmenlernen:
Sei eine Ente. Verberge, dass du ein Adler bist.
Doch Fliegen bereitet dir solche Freude! Es ist dein Lebenselixier: beim Fliegen wärmt die Sonne deine Federn und dein Herz, gibt Kraft und Mut. Das aufzugeben, tut so weh. Es zerreißt dich fast. Du möchtest schreien, lasst mich. Alles was du sein willst, bist du selbst. Du bist ein Adler und willst als Adler leben. Ein letztes Aufbäumen.
Dann gibst du auf
Irgendwann wird der Druck auf dich zu stark, gibst auf, quälst dich ins Wasser, gehst unter. Dein Körper schreit auf. Dein ganzer Körper ist Qual und ruft dir entgegen, dass er es nicht aushält. "Sei eine Ente, nur dann bist du gut!"
Brav versuchst du es wieder und wieder
"Sei eine Ente, denn Adler sind nicht richtig". Du gehst wieder unter, hast Angst zu ertrinken. Es ist, als ob die ganze Welt über dir zusammenbricht. "Sei eine Ente!" Und dann kommt der Moment, wo dein Körper und Geist nicht mehr gegen das Leid ankämpfen können. Dein Körper gibt auf, wird still, du hörst ihn nicht mehr.
Deine Kraft versiegt. In dir ist nur noch Schmerz. Mit der Zeit wird auch der Schmerz stiller, so tief ist die Erschöpfung in deinen Körper gekrochen. Nicht einmal der Schmerz kommt gegen die Leere an. Stille in dir, Leere.
Eines Tages weißt du nicht nicht mehr, wie sich fliegen anfühlt. Wie wunderbar es ist, durch die Lüfte zu gleiten.
Du hast vergessen, wie es ist, wenn die Sonne deine Federn und dein Herz wärmt. Siehst die Weite des Horizonts nicht mehr.
Alles in dir ist müde, dein Herz ist leer. Dir ist, als ob dieser Körper nicht mehr deiner ist. Als sei er ein Form, in der sich dein Inneres verloren hat.
Stille, die so laut ist, dass sie dir alles nimmt. Du weißt nicht mehr, ob du noch lebst, du weißt nicht mal mehr, was leben ist. Zu fern ist die Zeit, wo du über dem See durch die Lüfte geglitten bist. Wo deine Flügel dich kraftvoll durchs Leben trugen.
Die Wärme der Sonne auf deinen Flügel ist nicht einmal mehr eine Erinnerung, geschluckt von der Leere, in die man dich gedrückt hat.
Hast du schon mal vom "Autistic Burnout" gehört?
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