Modediagnose!
Dieses Wort in den letzten Jahren regelmäßig, wenn über verschiedene Neurodivergenzen, wie z.B. autismus und ADHS gesprochen und geschrieben wird. Leider ist das Wort, dass schnell gedacht und gesagt ist und etwas, was neurodivergentes Leben erschwert.
An erfährt von Menschen, die angeblich „dabei sein“ und sich deshalb eine Diagnose "suche n". Dass dieses "dabei sein" keine Mitgliedschaft in einer fancy Gruppe ist, sondern ein Ausdruck des eignen Seins, wird übersehen.
Diagnosen werden von „Hobby-Psycholog*innen aberkannt.
"Kriegt ja heute jede/r!", "Der/die ist doch nicht autistisch!" (lies dazu meinen Beitrag Diasplaining). Zeitgleich werden Menschen entmutigt, überhaupt eine Diagnostik zu durchlaufen. „Das willst du nur machen, weil es grade in ist!"
Wenn ein Narrativ stärker ist als die Realität und die Forschung
Ein beliebter Gedanke, der sich durch(s) Internet, Zeitungen, TV-Sendungen zieht, ist diese "und auf einmal...". Mit diesem Narrativ wird die Realität verdrängt, in der ein Mensch mit sich sich gerungen hat, auf der Suche nach Antworten war und ist.
Über Jahrzehnte gab es z.B. auf Autismus eine rein defizitorientierte Sicht. Forschende stellten Listen mit „Fehlern“ zusammen. Mit diesem Defizitfokus wurde auf Menschen geschaut und viele z.B. Frauen übersehen.
Die LMU München schreibt dazu:
„Da die Diagnosekriterien .. an Jungen und Männern orientiert sind, sind viele Diagnoseinstrumente mutmaßlich nicht geeignet, um ASS bei Frauen zu diagnostizieren“. Dazu kommt die Bewertung, was auffällig ist: „Frauen [haben] oft gesellschaftlich eher akzeptierte Spezialinteressen“.
Wer käme z.B. bei einem jungen „Pferdmädchen“ auf ein autistisches Spezialinteresse? Denn Autismus ist männlich und die Personen haben "immer" die "seltsamen, nicht anerkannten" Hobbies.. Reitsport, Stricken, Basteln für Frauen wird dagegen als "normgerecht akzeptiert".
Autist*innen kämpfen weltweit darum, dass sich der wissenschaftliche Fokus weitet, dass Fähigkeiten gesehen und in die Diagnostik einfließen. Diese Energie der autistischen Community hat Bewegung geschaffen. Immer mehr Menschen tauschen sich aus und stärken einander.
Sichtbar werden, sich untereinander kennenlernen
Dass es „auf einmal“ so viele sichtbare Autist*innen gibt, ist auch dieser Kraft geschuldet, die wir einander geben. Mit der wir uns dagegen wehren eine Rolle als „reine Mängelwesen“ zugewiesen zu bekommen.
Wir werden als Autist*innen sichtbar(er). Doch wir waren schon immer „da“! Nur eben nicht sichtbar für die, die jetzt Modediagnose schreien. Wir sind Nachbar*in, Kolleg*in, Chef*in, Lehrer*in und huch, möglicherweise sogar dein/e Partner*in!
Je sichtbarer Autist*innen in der Breite ihres Seins, ihrer Möglichkeiten werden, je mehr Menschen begreifen, dass sie dazu gehören und suchen eine Diagnostik auf! Nicht die Anzahl der Autist*innen steigt, es steigt die Anzahl der Menschen, die als Autist*in sicht- und denkbar werden.
Genderbias - jahrzehntelanger Ausschluss von Frauen bei Diagnosen
Es gibt viele ältere Frauen, denen erst jetzt bewusst wird, dass sie autistisch sind. Sie hörten über Jahrzehnte nur einschränkende Definitionen, die nicht zu ihnen passten. Autist*innen sind keine lebendig gewordenen Stereotype & Vorurteile. Sie sind individuelle Menschen mit Stärken, Schwächen und Potentiale – so wie du. Wenn nun Modediagnose geschrien wird, dann entmutigt es Menschen, sich für eine Diagnostik zu entscheiden.
Eine Diagnose kann leben retten und stärken
Studien zeigen, wie wertvoll es für Menschen ist, nach einer guten Diagnostik, endlich eine Antwort auf ihre Fragen zu bekommen. Trotzdem kann es ein bis eineinhalb Jahre dauern, bis autistische Menschen in sich ankommen. Denn sie haben die unglaubliche Leistung zu erbringen, sie selbst und all dem erzwungenen Masking wiederzufinden.
Doch schlussendlich führt die Diagnose "autistische" in den meisten Fällen zu einer Verbesserung des eigenen Wohlbefindens. Ein Gefühl von angekommen sein stellt sich ein. Viele Jahre des sich Hinterfragens, der Suche finden ihren Abschluss in einem: "Ja, so ist mein Körper. Meine Empfindungen sind real, richtig und wertvoll!"
Zeitgleich wird ihnen diese Diagnose abgesprochen, von Menschen, die nicht die geringste Ahnung vom Thema haben. Die einfach nachplappern, was ihnen die Vorurteile vorsagen. Ihnen ist die Respektlosigkeit nicht bewusst, denn sie kennen keine Fakten, wissen nciht vom Genderbias. Davon, dass man lange Menschen mit ADHS erklärt hat, dass sie keine Autist*innen sein könnten. Weil beides nicht ginge. So wurde Menschen eine Diagnostik verweigert.
Andere bekamen Missdiagnosen, wurden aufgrund angeblicher Erkrankungen "behandelt" und mit Techniken und Medikamenten "therapiert", die nichts mit ihnen zu tun hatten.
Wo bleibt die Scham für all diese Fehldiagnosen der letzten Jahrzehnte?
Wann übernehmen die beteiligten Fachpersonen endlich die Verantwortung dafür an, dass sie jahrzehntelang neurodivergente mit falschen Diagnosen unendlichem Leid ausgesetzt haben?
Und nun sind wir endlich an dem Punkt, dass die Wissenschaft sieht, wie viele wir sind, sich der eigenen Stereotype entledigt und dann kommen diese Modediagnose-Rufer um die Ecke und verletzen Menschen mit ihrem Nicht-Wissen!
Es gab, gibt und wird autistische Menschen geben. es steht ihnen zu, sich zu hinterfragen und auf die Scuhe zu machen. Es steht ihnen zu, sich offen und gesund autistisch zu leben. Wir sind Teil der Gesellschaft und werden nun endlich sichtbarer
© Shino Me. Alle Rechte vorbehalten.
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